Maria Schnee  
         
 

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Eine Kinderwallfahrt nach Maria Schnee

Alljährlich besuchte ich als Schulknabe an der Seite meiner Eltern oder Geschwister den Wallfahrtsort “Maria Schnee” auf dem Spitzberge. Darauf freute ich mich schon viele Wochen vorher.

Der Weg führte durch einen großen Wald, wo es für mich wahre Wunderdinge zu sehen gab: mit Moos überzogene Föhren, die wie alte Männer mit langen Bärten dastanden, Eichhörnchen, die lustig über den Weg liefen, an den Bäumen hinaufkletterten und fast wie im Fluge von einem Aste auf den andern sprangen, scheue Rehe und Hirsche, die uns neugierig anblickten und mit großen Sätzen im nahen Dickicht verschwanden.

Die Kapelle selbst war sehr freundlich. Und vor ihr hatte man eine herrliche Aussicht auf das schöne Neißetal mit seinen Dörfern und Städtchen. Was uns Kinder ganz besonders anzog, waren die Buden mit den vielen Spielwaren.

Da gab es Brummeisen, Harmonikas, Pfeifen, Trommeln, Stehaufmännchen und allerlei Raritäten, die man sonst nirgends zu sehen bekam. Freilich hatten wir nur einige Pfennige. Doch sie reichten hin, uns die eine oder andere von diesen Herrlichkeiten anzukaufen.

Auf einer solchen Wallfahrt, an der sich auch die Lehrer und fast sämtliche Schüler beteiligten, sahen wir drei junge Herren, welche die Gegend durch ein Fernrohr betrachteten. Für uns Knaben war ein Fernrohr ein Wunderding. Wir hatten wohl schon von einem solchen Instrumente in unserem Schullesebuch gelesen, aber keiner hatte ein Fernrohr gesehen, geschweige in der Hand gehabt oder gar die Welt durch ein solches betrachtet.

Die Neugierde drängte uns immer näher zu den vornehmen Herren, und bald schlossen wir einen Kreis um sie. Da schob einer von ihnen das Rohr zusammen, und der Gegenstand unserer Bewunderung verschwand vor unseren Augen, ohne daß wir ihn näher betrachten konnten. Unser Mißmut darüber wurde aber bald verscheucht, da der vornehmste Herr uns zurief: “Kommt mit!”

Und nun führte er uns zu einer Bude und kaufte uns Zuckernüsse und Pfefferkuchen, soviel wir in unseren Taschen unterbringen konnten. Dann forderte er jedes Kind auf, sich von den Spielwaren irgend ein Stück auszuwählen, daß ihm am besten gefiel. Da jubelten wir vor Freude.

Mein Bruder war aber so klein, daß er nicht über den Ladentisch sehen konnte. Das bemerkte der Herr, faßte ihn unter den Armen und hob ihn hoch empor, so daß er Umschau halten konnte in der ganzen Bude. Schnell griff mein Bruder nach einem aus Holz geschnitzten Vogel, drei Pfennige im Werte, und war hoch erfreut, ihn in die Tasche stecken zu dürfen.

Unter Pfeifen-, Trompeten- und Harmoniaklang zogen wir froh nachhause. Der jugendliche, hochherzige Herr, der uns so reichlich beschenkt und den wir nicht kannten, war, wie wir später erfuhren, kein geringerer, als der spätere Kaiser Friedrich III.

(Aus: Adam Langer: Aus den Erinnerungen eines Dorfschullehrers)